Nathan von Gollwitz
Darf ich mich kurz vorstellen? Mein Name ist Nathan von Gollwitz. Ich bin gebürtiger Brandenburger, habe aber vor kurzem beschlossen, nach Berlin umzusiedeln und mich in Mariendorf-Süd niederzulassen.
Jetzt fragen Sie sich sicherlich: Warum tut eine Maus sowas? Manchmal ist Maus einfach spontan. Aber natürlich hatte ich von Mariendorf-Süd noch nie etwas gehört. Das sollte sich nun aber ändern. Und das kam so: An einem Wochenende im März fuhr wieder einmal ein Bus mit vielen Personen vor und hielt auf dem Parkplatz von Schloss Gollwitz, wo ich gerade bevorzugt wohnte. Die Türen öffneten sich und ich sah ziemlich viele Füße und Taschen in Augenhöhe, die den Staub aufwirbelten. Ich hatte gerade einen kleinen Spaziergang gemacht und beobachtete nun neugierig, wie sich die kleine Reisegruppe daran machte, das Gepäck in Richtung Schloss zu schleppen. Ich schlich mich etwas näher heran und entnahm ihren Gesprächen, dass es sich um GKR-Mitglieder aus Berlin handelte.
Sie müssen wissen, dass ich überdurchschnittlich große Ohren habe. Mein Opa sagte immer voller Stolz: „Unser Nathan kann das Gras wachsen hören!“ Und in der Tat – mir entgeht so schnell nichts!
Da es auch in meiner Familie diverse Kirchenmäuse gibt, wusste ich natürlich sofort, was das Kürzel GKR bedeutete: Ich hatte es hier mit einer Truppe Ehrenamtlicher zu tun, die zum Gemeindekirchenrat gehörten. Noch wusste ich nicht warum, aber irgendwie gefielen mir diese Leute. Und da ich eh keine großen Pläne für das Wochenende hatte, beschloss ich, mir diese Gruppe etwas genauer anzuschauen.
Es stellte sich heraus, dass sie die meiste Zeit beim Essen verbrachten – sehr
sympathisch – und danach viele Stunden am Tisch des Seminarraums zusammensaßen, auf Bildschirme starrten, Broschüren wälzten und eine lange Themenliste abarbeiteten. Abends wurde dann ausgiebig gespielt. Da wäre ich gern dabei gewesen, denn beim Begriffe-Raten habe ich immer schon viele Punkte eingeheimst. Aber ich schweife ab. Als ich herausfand, dass die Gruppe aus einer Kirchengemeinde stammte, die ihren Sitz im „Nathan-Söderblom-Haus“ hat, war ich restlos begeistert.
Mein Name! Ich beschloss, dass die Zeit für eine Veränderung in meinem Leben
gekommen war. Wenn ich ehrlich sein soll, war ich schon seit einiger Zeit ein bisschen gelangweilt. In Gollwitz ist es schön, aber hier passiert nicht viel. Ich wollte was erleben – reisen, neue Gesichter sehen, neue Geschichten hören, neue Dinge lernen …
Warum sollte ich nicht einmal eine Weile in Berlin leben?
Ich würde Kirchenmaus werden, jawohl! Ich würde die Stadt und die Gemeinde
kennenlernen und mich vielleicht sogar irgendwie nützlich machen können. Für eine
Maus bin ich zwar recht stark, aber handwerklich konnte ich nicht punkten. Aber es gibt eine Sache, die ich wirklich gut kann: zuhören!! Auch dafür eignen sich nämlich meine großen Ohren sehr gut!
Als am Sonntag die Sonne aufging, waren meine Vorbereitungen abgeschlossen. Meine Familie war informiert und hatte mir bereits die Pfote gedrückt. Mein kleiner Rucksack war gepackt und ich wickelte mir vorsorglich den Schal um den Hals, den mir Tante Lilly mal gestrickt hatte. In Kirchen kann es schon mal kalt sein, das wusste ich noch gut.
Gegen Mittag war es dann soweit. Ich hatte mich erfolgreich in den Bus der Kirchen-
gruppe geschummelt, saß zufrieden im Warmen unter der Sitzbank und ließ mich nach Berlin fahren!! AUF INS ABENTEUER!
Wir werden uns bestimmt bald mal kennenlernen. Ich freue mich drauf!!
Schreien Sie nicht! Und Sie brauchen auch nicht auf einen Stuhl zu springen, wenn Sie mich sehen. Ich bin eine sehr friedliche Maus und verspreche hoch und heilig, keine Kabel anzuknabbern. Alles andere wird sich finden.
Es grüßt Sie herzlich
Nathan von Gollwitz
