Dankeschön Christkind
nach Friedrich von Bodelschwingh (geb. 1902 in Bonn, gest. 1977 in Bethel).
Er war ein Enkel des gleichnamigen Gründers der von Bodelhschwingschen Anstalten Bethel, einer diakonischen Einrichtung. Er leitete sie von 1946 bis 1969.
Es war an einem Weihnachtsabend in Bethel. Ein Strom der Freude ging durch das Haus, so mächtig, wie man es an anderen Orten der Erde kaum erlebt. Da war ein Jubilieren und Musizieren in hundert Tönen zugleich.
Am Rande des Zimmers aber ging ein Junge immer auf und ab, mit großen Schritten und eigentümlichen Kopfbewegungen. Er wandte sein Gesicht nicht wie die anderen Kinder dem Lichterbaum zu. Er freute sich nicht an den bunten Bildern, wie seine kleinen Kameraden. Er konnte es nicht; denn der kleine Willy war nicht nur fallsüchtig und schwachsinnig, sondern er war auch blind. Man hätte denken können, dass ihm die Tür zur Weihnachtsfreude ganz verschlossen sei. Aber nein, das war doch nicht der Fall.
Er hatte eine Mundharmonika geschenkt bekommen. Darüber hatte er alles andere ringsumher vergessen. Unermüdlich wanderte er auf und ab und versuchte zu spielen.
Wenn man genau hinhörte, konnte man merken, dass es das Lied sein sollte: Ihr Kinderlein kommet. Die Töne waren nicht schön, die Harmonie sehr mangelhaft, aber das störte ihn nicht. Ihm schien es die schönste Musik der Erde zu sein.
Plötzlich aber sah ich, wie Willy haltmachte und die Harmonika vom Mund nahm. Er lauschte in den hundertstimmigen Chor hinein, der ringsumher das Zimmer füllte. Er horchte mit angespannter Aufmerksamkeit auf die Töne der anderen Instrumente seiner kleinen kranken Freunde. Nun ging ein freudiges Lächeln über sein schmales Gesicht und ich hörte, wie er vor sich hin sagte: „Keiner hat eine“. Er meinte offenbar, keiner außer ihm hätte eine Mundharmonika bekommen. Das machte ihm den Genuss doppelt groß und unverdrossen setzte er seine Wanderung fort, hin und her und auf und ab, immer wieder blasend: „Ihr Kinderlein kommet“. Nach einer Weile sah ich, wie er noch einmal stehen blieb und ein noch viel hellerer Schein über sein blasses Gesicht fuhr. „Danke schön Christkind“ sagte er leise, und dann wanderte er blasend weiter.
Mir aber war klar geworden, welch Sonnenschein durch diese Weihnachtsfreude auf den dunklen Weg des armen Jungen gefallen war. Der kleine Blinde hatte mir wieder gezeigt, was so einfach ist und doch so schwer: Da wird es hell in einem Menschenleben, wo man für das Kleinste danken lernt.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest . Hannelore Krause
Beim diesjährigen Suchen nach einer passenden Weihnachtsgeschichte war mir die eben beschriebene in die Hände gefallen und ich habe einen „deja – vu“, erlebt, eine Erinnerung: Nach der Konfirmation war unsere Jugendleiterin mit uns in eine Jugendherberge bei Bielefeld gefahren. Von dort aus hatten wir täglich etwas unternommen. So kamen wir auch nach Bethel.
Ein Pfleger der Heilanstalt führte uns durch die Kinderabteilung, in der alle Türen offen standen. In einigen Zimmern lagen Kinder im Bett, in anderen Zimmern spielten sie oder sie liefen auch durch die Gänge. Manchmal beobachteten wir die Kinder und der Pfleger erklärte uns etwas. Wir waren sehr ruhig geworden, uns taten die kleinen Kranken leid. Mir war ein etwa fünfjähriges zartes Mädchen mit blonden Zöpfchen aufgefallen. Sie schaute auf meine dicken, langen Zöpfe, wir lächelten uns an, und plötzlich sprang mir das Kind auf den Arm und umarmte mich! Ich hatte einen furchtbaren Schreck bekommen und stand sprachlos und wie erstarrt da. Der Pfleger nahm mir die Kleine freundlich und behutsam ab.Wir verließen alle stumm und kurz winkend das Zimmer.
Ich möchte noch zum Weihnachtsfest zwei Buchtips geben: „Die Achse der Autokraten“ von Anne Applebaum ist keine leichte Kost, aber informativ. Die Autorin beschreibt wie Autokraten sich gegenseitig an der Macht halten, daß ihr gegenseitiges Ziel der Niedergang der Demokratie ist, daß sie Bürgern mit Gewalt drohen und ihnen die politische Stimme verwehren. Neu ist unter den hartgesottenen Autokraten das Bewusstsein, dass ihnen die Welt nichts anhaben kann und sie Menschenrechtsforderungen internationaler Einrichtungen anfechten.
Der Bestseller „22 Bahnen“ von Caroline Wahl ist unterhaltsam und ist kürzlich auch verfilmt worden.
Anregende Stunden wünscht Ihnen
Hannelore Krause






