Vom Rentier, das nicht warten konnte, Teil 2
Ich habe in ziemlich viele Häuser und Wohnungen hereingeschaut und mich dann für ein paar ganz bestimmte Kinder entschieden. Diese Kinder haben sich nämlich in der Tat Gedanken um den Weihnachtsmann gemacht.“
Rudolph nickte nachdrücklich. „Jawohl, um Sie, Chef. Das ist gar nicht mehr so häufig. Viele schreiben einfach nur noch meterlange Wunschzettel, die sie den Eltern in die Hand drücken. Die tun dann so, als würden sie die Wunschzettel zum Christkind schicken oder erledigen die Sache selbst. Also, die Kinder, die ich besucht habe, haben uns ja noch nie
gesehen. Ich fand es deshalb höchst interessant, wie sie sich unseren Job vorstellen. Da ist zum Beispiel …“
Ein lautes Klopfen unterbrach Rudolph. Der Weihnachtsmann rief nur „Es ist offen!“, weil er keine Lust hatte schon wieder aufzustehen. Die Tür ging auf und die anderen Rentiere kamen vorsichtig ins Zimmer spaziert. Es wurde nun langsam etwas eng, aber der Weihnachtsmann forderte natürlich alle auf, sich irgendwo ein Plätzchen zu suchen und
reichte wieder den Keksteller herum. Die anderen Rentiere hatten mitbekommen, dass Rudolph lange weg gewesen war und waren genauso neugierig wie der Weihnachtsmann.
Sie wollten hören, was sich die Kinder auf der Erde für Gedanken machten und nachdem jeder seine Hufe einigermaßen bequem untergebracht hatte, legte Rudolph los: „Zuerst war ich bei Anna-Marie. Sie schrieb gerade an einem Aufsatz über den Chef, also über den Weihnachtsmann. Ich habe mich ganz leise in ihr Zimmer geschlichen und ein wenig mitgelesen:
Es war einmal ein Weihnachtsmann, der war sehr dick und kugelig. Er sah sehr rot und weiß aus.
„HA!“, rief der Weihnachtsmann laut. „Da hat sie recht! Jawohl – dick und kugelig, und rot und weiß. Muss ein schlaues Kind sein. Ob sie mich schon mal gesehen hat?“ Er überlegte kurz und sagte dann aber: „Entschuldige, Rudolph. Lies weiter, bitte!“
Da kam ein Weihnachtsengel vorbei und überbrachte dem Weihnachtsmann eine Nachricht.
Der Engel sagte: „Ho, ho, ho! Heute ist Weihnachten! Jetzt wird es aber Zeit!“ Der Weihnachtsmann erschrak und packte seine Weihnachtsliste. Darauf standen die Namen der Kinder, zu denen er hinfliegen musste!!! Auch der Name des Mädchens stand darauf. Und los flitzte er mit seinem Schlitten, aber er konnte nicht so schnell, weil er so dick und kugelig war. Als er auf dem Weg war, verletzte sich plötzlich Rudolph, das stärkste Rentier! … … Sie mussten ihn zurückbringen, aber der Weihnachtsmann schaffte es auch mit den anderen Rentieren, die Geschenke auszuladen.
„Na, bitte!“ Der Weihnachtsmann strahlte in die Runde. „Man traut uns zu, dass wir auch mit Personalmangel noch pünktlich liefern. – Rudolph, hast du eine Idee, was sich Anna-Marie zu Weihnachten wünscht?“ „Ja, Chef“, antwortete Rudolph sogleich. „Ich konnte einen Blick
auf ihren Wunschzettel werfen. Sie hat ihn sehr schön verziert und Bilder gemalt. Sie wünscht sich eine Weihnachtsbommelmütze!“
„HA!“, rief der Weihnachtsmann wieder. „Ist doch genial, findet ihr nicht?? Da wünscht sich ein Kind tatsächlich eine Weihnachtsbommelmütze. Soll sie kriegen. Ich bin sicher, im Lager sind noch welche. – Und weißt du noch, Rudolph, wie das damals war? Ist schon lange her, aber einmal ist es doch wirklich passiert, dass wir dich nach Hause schicken mussten, weil du auf der Milchstraße jemandem die Vorfahrt genommen hattest und nach dem Zusammenprall nicht weiterfliegen konntest.“ Rudolph zog eine Grimasse und es war klar, dass er sich nicht gern an diesen Vorfall erinnerte. Aber der Weihnachtsmann winkte ab. „Ist doch alles schon sehr lange her! – Los, Rudolph, das war ein toller Einstieg. Gibt’s noch mehr Geschichten?“
Rudolph nickte erleichtert, und bevor noch eins der anderen Rentiere unangenehme Fragen stellen konnte, fuhr er fort: „Ich habe noch viele Geschichten auf Lager. Ehe ich es vergesse – hier ist noch ein Bild, das Anna-Marie gemalt hat. Ich fand es so schön, dass ich es mitgenommen habe.“ Die versammelten Rentiere machten lange Hälse und warfen
neugierige Blicke auf das Bild vom Weihnachtsmann. Der Weihnachtsmann selber nahm das Blatt in die Hand und sagte nach einem Moment des andächtigen Schweigens: „Ich finde, ich sehe unglaublich gut aus.“ Das jüngste Rentier kicherte und Rudolph warf ihm einen strafenden Blick zu. Der Weihnachtsmann hatte nichts bemerkt und sagte nur: „Das
Bild bringen wir ihr natürlich zurück. Das hättest du eigentlich nicht mitnehmen dürfen, Rudolph!“
Rudolph nickte und sagte dann: „Jetzt kommen wir zu Maxi. Das ist ein lustiges Kind. Sagt am liebsten „Aber jetzt will ICH!“ Er weiß auch ganz genau, wie Sie aussehen, Chef!“ Der Weihnachtsmann lächelte geschmeichelt. Rudolph nickte und sagte dann: „Für diesen Jungen hier ist die ganze Sache klar. Er schreibt: „Der Weihnachtsmann hat einen rotweißen Mantel, eine rot-weiße Mütze und eine rot-weiße Hose. Er fliegt mit seinem Schlitten in einer Nacht um die ganze Welt. Er landet auf meinem Dach und quetscht sich durch den Schornstein. Und er bringt mir einen neuen Computer und einen Fernseher.“ … … Hier stutzte Rudolph und sah nochmal auf seinen Zettel. Dann blickte er fragend auf: „Ich bin nicht ganz sicher, ob er und einen Fernseher oder vielleicht oder einen Fernseher gemeint hat. Schließlich braucht er ja auch noch Zeit für seine Hausaufgaben und fürs Fußballspielen.“
Der Weihnachtsmann überlegte kurz und sagte dann: „Wir werden das Richtige für Maxi auf den Schlitten packen. – Ich frage mich wirklich, wie es passieren konnte, dass die Sache mit dem Schlitten so durchgesickert ist. Schließlich fliegen wir doch nachts und sind unheimlich schnell. Woher weiß dieser Junge das?“
Das zweitjüngste Rentier meldete sich zu Wort: „Ich glaube, dass Kinder viel mehr bemerken als Erwachsene. Und unsere Glocken am Schlitten und am Geschirr sind ja auch nicht gerade leise.“ „Ja“, nickte der Weihnachtsmann. „Das wird’s wohl sein. Aber unser Geheimnis ist bei den Kindern sicherlich in guten Händen. Los, Rudolph, wir sind gespannt auf die nächste Geschichte.“
Rudolph griff nach dem nächsten Notizblatt und sagte belustigt: „Also, wir kommen jetzt zu einem anderen Jungen. Ich bin fast sicher, dass der schon mal hier gewesen sein muss.
Zum einem weiß auch er von unserem Schlitten und zum anderen hat er sogar gesehen, wie wir unsere Vorbereitungen für die große Reise getroffen haben. Hört zu, was Tobias schreibt: „Weihnachten stand vor der Tür. Der Weihnachtsmann packte Geschenke ein und die Elfen beluden den Schlitten. Als der Weihnachtsmann aus dem Haus kam, sah er mit rotem Samtmantel und Mütze sehr gut aus. Als er an Weihnachten losfliegen wollte, bemerkte er, dass die Rentiere nicht da waren. Sie waren alle in einem Eiscafé und schlürften heiße Schokolade. Also holte er sie, spannte sie vor den Schlitten und flog los. Die Rentiere hatten so viel Schwung drauf, dass sie eine ziemlich scharfe Kurve flogen. Fast wäre ein Teil der Geschenke heruntergepurzelt. Der Weihnachtsmann konnte gerade noch rechtzeitig zupacken und schimpfte ein wenig mit seinen Rentieren. „Ich glaube, ihr seid so viel Zucker nicht gewöhnt. Warum seid ihr nicht bei Möhrenkuchen geblieben?“