Das Oratorium Saul von Georg Friedrich Händel 

Mit einer Chorfreundin war ich am 25. Mai zur Generalprobe von Händels Oratorium Saul in der Komischen Oper. Es war ein eindrucksvolles Erlebnis. Da wir sogar in der ersten Reihe saßen, hatten wir auch Einblick zum Orchester und konnten den Dirigenten David Bates bei seinem lebhaften Einsatz gut sehen. Es war die letzte Inszenierung von Axel Ranisch vor dem Umzug der Komischen Oper. 

Georg Friedrich Händel wurde 1685 in Halle geboren und ist 1759 in London gestorben. 1703 ging er als Opernkomponist nach Hamburg und 1706 bis 1709 hatte er in Italien mit Opern und Oratorien große Erfolge. Anschließend war er als Hofkapellmeister in Hannover tätig, um dann 1712 nach London zu gehen, wo er bis zu seinem Tode blieb. In London hatte er sich endgültig dem Oratorium zugewandt. Seinen Stoff dazu nahm er fast aus-schließlich aus dem Alten Testament. Auch das Oratorium Saul entstand während seiner Londoner Jahre. 

In der Bibel 1 Samuel 17 wird beschrieben, dass König Saul im Kampf gegen die Philister steht. Aus ihren Reihen tritt der gepanzerte und bewaffnete Riese Goliath. Er verhöhnt Gott und fordert irgendeinen Mann von Saul zum Zweikampf. Alle kampffähigen Männer befinden sich aber schon auf dem Schlachtfeld. Da bittet der Hirtenjunge David den König um Erlaubnis kämpfen zu dürfen, allerdings ungepanzert und ohne Waffen, weil er sich sonst nicht bewegen könne. David überzeugt den König Saul, den Ungläubigen mit Gottes Hilfe zu besiegen. Mithilfe einer Steinschleuder verletzt David den Riesen Goliath an der Schläfe und besiegt ihn. Mit dem abgeschlagenen Kopf des Riesen kehrt David siegreich nach Jerusalem zurück. Es ist also die ungewöhnliche Geschichte des Schwachen, der den Starken besiegt. 

Axel Ranisch hat „Saul“ modern, lebensnah, sehr offen, sinnlich, provokant und mit viel Symbolik inszeniert. All das gibt viel Stoff zum Nachdenken und ist auch keine leichte Kost, aber gerade deshalb war der Abend so interessant und kurzweilig. Gott, der Lenker der Geschicke des Volkes Israel, ist der Mittelpunkt des Oratoriums und die Menschen (Solosänger/ -innen, und Chor) sind die Hauptträger der Handlung. 

Wenn sich der Vorhang öffnet, sehen wir den Riesenkopf mit den weit geöffneten Augen, die uns anschauen, auf der Breite der Bühne liegen, und zwar während der ganzen Vorstellung. Allerdings ist es am Schluss ein verrotteter Todesschädel. Auf dem höchsten Punkt des Kopfes steht der Thron von Saul (Bass): als Zeichen seiner gefestigten Stellung durch den Sieg über die Philister. David (Countertenor) steigt aus dem Loch an der Schläfe empor, dass er Goliath zugefügt hatte: er steigt zur Macht empor. 

Aus dem Mund tritt der Hohepriester (Tenor), der Gottes Wort verkündet. Die beiden Töchter von Saul singen Sopran und sein Sohn Jonathan singt Tenor. 

Axel Ranisch zeigt offen und sinnlich die Liebe Davids (im Rock) zu Jonathan und später die Trauer Jonathans, als David eine der beiden Schwestern heiratet. Nachdem David durch seine Siege zur Macht emporgestiegen ist, leidet er unter dem Gewicht der Macht und wird depressiv. 

Durch den Sieg Davids über Goliath hatte sich Sauls Macht gefestigt. Aber durch die weiteren siegreichen Kämpfe Davids sieht Saul seine Volksgunst schwinden und er wendet sich von David ab. Am Ende stirbt König Saul ohne Todesszene oder Staatsbegräbnis. 

Axel Ranisch zeigt durch seine großartige Inszenierung, wie wankelmütig die Volksgunst ist, wie kurzlebig Macht ist und durch den Lobgesang der Toten auf dem Schlachtfeld zeigt er die Sinnlosigkeit des Krieges. 

Die Musik von Händel ist wunderschön und der Dirigent David Bates und das Orchester waren fantastisch. Im Orchester befanden sich nicht nur die gewohnten Musikinstrumente, sondern auch Klangkörper der Barockmusik: ein Carillon (französisches Glockenspiel) und zwei Theorben; das sind Basslauten mit sehr langem Hals, doppeltem Wirbelkasten und 14 bis 16 Saiten. Sie stammen aus Italien (17.Jh.). Ich habe sie schon einmal in einer Oper von Händel gehört (man kann sie gut heraushören). 

Zum Schluss gab es viel Applaus für alle: für die stimmgewaltigen Solo- und Chorsänger, für den Regisseur und den Dirigenten mit seinem Orchester. 

Es war ein eindrucksvolles Erlebnis und ein gelungener Abend. Angeregt und beschwingt, jedoch auch nachdenklich haben wir die Komische Oper verlassen. 

Hannelore Krause 

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