Andacht Wege

Andacht zum Lesen

Staubige, abgeschiedene Wege. Von den Füßen oft abgeschritten und ins Leere führend. Sie sind zusammen, teilen das gleiche Schicksal und sind dennoch so einsam, getrennt vom Leben mit anderen und mit Gott. 10 lebendige Tote. Vom Priester als Lebende beerdigt. Sie laufen auf einsamen Wegen, die sich nicht kreuzen dürfen mit denen der Gesunden. Wenn sie einen Menschen von Ferne bemerken, müssen sie sich mit dem Ruf „Unrein, unrein!“ als Kranke auszeichnen, um die Gesunden vor sich zu schützen.

Da sehen sie Ihn, der auf Wegen der Begegnung, der Heilung, des Mitleidens wandelt. Und erkennen ihn. Hoffnung keimt in ihnen auf, weckt die müden Knochen und beschleunigt ihren Schritt. Ihm entgegen. Sie bleiben in der nötigen Distanz stehen, und erheben ihre Stimme. 10 Stimmen, die zu einer werden: Erbarm dich unser. In diesen Worten liegt ihre ganze Not und angestaute Klage.

Jesus richtet seinen Blick auf die 10 vom Leben Ausgesetzten. Er sieht sie an und macht sie zu Angesehenen. Er hält ihrer Not stand und wird ihnen zum Gegenüber. Ein Blick voller Barmherzigkeit und Liebe. Ein Blick, der zum Vertrauen einlädt und aufruft, ihm Leiden anzuvertrauen. Jesus wird ihnen zum Wegweiser. „Geht hin, macht euch auf den Weg, der ein Ziel hat. Zeigt euch den Priestern!“

Ein Weg aus dem Tod ins Leben. Was für eine Verheißung. Was für ein Geheiß. Sie wissen, dass ihnen nur Gott helfen kann und so gehen sie. Der Körper schmerzt, die Wunden brennen, doch ihr Herz ist erfüllt von der Hoffnung auf Heilung. Sie beten mit den Füßen, jeder einzelne Schritt ein Bekenntnis des Vertrauens, den offensichtlichen Zeichen der Krankheit zum Trotz. Und Jesus hilft, er erbarmt sich ihrer.

Ein Weg, in Vertrauen gegangen, der zu Vertrautem, lang schon Ersehntem, fast Vergessenem führt. Ein Weg, auf dem sie ihre Krankheit hinter sich lassen und gesunden. Der Aussatz bedeckt nicht mehr die Haut, die Wunden sind verheilt.

Da bleibt einer von ihnen stehen, schaut auf seinen Körper und staunt. Raum und Zeit sind vergessen, der Blick nach innen gewandt. Innehalten, um das Unbegreifliche greifen zu können. Was der Verstand nicht vermag, erkennt das Herz. Er ist Gottes Sohn begegnet, jetzt erst wird ihm das Ausmaß dieser Begegnung klar. Wie ein Schleier fällt es von den Augen. Jesus hat sich seiner erbarmt, hat sich ihm in den Weg gestellt und ihm den Weg gewiesen, der ihm zum Ausweg wurde. Er bricht aus der Gruppe der Geheilten aus.
Unendliche Dankbarkeit bricht sich Bahn; möchte an den gerichtet werden, dem er sein neu gewonnenes Leben zu verdanken hat. Er kehrt den übrigen den Rücken, die schon längst weitergelaufen sind. Er nimmt den Weg, den er vorher mit den Anderen voller Vertrauen und Hoffnung gegangen ist, noch einmal unter seine Füße. Er geht laut singend zu Jesus zurück.

Frauke Lobeck

Ja, denke ich, manchmal muss man Wege zweimal gehen. Amen

Pfarrerin Lydia Grund-Kolbinger

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