Der goldene Hahn

Am 25. Januar 2024 war im Schillertheater die Generalprobe von Rimsky – Korsakows Oper „Der goldene Hahn“ nach Alexander Puschkins Kunstmärchen. Es ist eine Neuproduktion des Festivals d’Aix-en-Provence, in Koproduktion mit der Komischen Oper, der Opéra Lyon und dem Adelaide Festival. Die Musikalische Leitung hat James Gaffigan, die Regie führt Barrie Kosky. 

Das Bühnenbild, geschaffen von Rufus Didwiszus, führt uns in eine surrealistisch wirkende verlassene, hügelige, graue Heidelandschaft. An einer Weggabelung steht ein dicker, abgestorbener Baum mit einem Ast. Kosky entführt uns in diese rätselhafte Welt, deren Zauber einst Alexander Puschkin in seinem Märchen beschrieben und Nicolai A. Rimski- Korsakow mit einer Fülle an Klangfarben in Musik umgesetzt hat. All das lädt zum Träumen ein. 

Nur noch essen und träumen möchte der König Dodon, gespielt von dem darstellerisch und stimmlich groß-artigen Dimitry Ulyanow. Durch seine vielen Kriege des Regierens müde ge-worden, schickt Dodon seine beiden einfältigen Söhne in den Kampf. Er, der in geknautschter Unterwäsche steckende König, wirkt trotz seiner kräftigen Gestalt kindlich, jammert herum und ist voller Selbstmitleid. Von seiner Aufseherin lässt er sich durch Schlaflieder einlullen. 

„Regieren im Liegen“ verspricht ein Frühwarnsystem: der goldene Hahn, der jede Gefahr krähend ankündigen wird; so verkündet es der listige Astrologe und überreicht dem König den Hahn. Er findet seinen Platz auf der Astgabelung (Daniel Ojeda Yrureta) und wird gesungen von Julia Schaffenrath aus dem Orchester-graben. 

Der Astrologe, der wohl seine List verstecken will, spielt den tattrigen Alten. Zwischen den Akten tappert er im Schneckentempo vor geschlossenem Vorhang über die Bühne. 

Das Publikum ist begeistert. Einige beginnen zu klatschen und denken, dass die Vorstellung zu Ende ist. Der Countertenor James Kryshak hat einen schönen lyrischen Tenor mit hohem Falsett. Als der Hahn kräht, zieht König Dodon doch noch in den Krieg. 

Im 2. Akt baumeln die beiden im Kampf gefallenen einfältigen Prinzen kopflos an der Astgabelung. Das Volk ist ungeduldig. Immer wieder treten Gruppen von berittenen Bojaren auf. Sie wirken wie nervös mit Hufen scharrende Schachbrettfiguren mit Pferdeköpfen und Strapsen. (Choreographie: Otto Pichler). 

Die Armee ist geschlagen und der König ist wieder zu Hause. Er erlebt, wie die schöne Königin von Schema-cha (Kseniia Proshina), von der er so oft geträumt hatte, bei ihm auftaucht. Sie will ihn durch ihren Liebreiz verführen, um sein Reich kampflos zu erobern. 

Es ist köstlich diese Verführungsszene mit zu erleben: Mit Leichtigkeit und Eleganz umgarnt die orientalische Sirene im durchsichtigen Kleid mit Hüftschwung und unter Einsatz ihres lyrischen Soprans den etwas tollpatschigen, aber durchaus beweglichen König in Unterwäsche. Auch er lässt seine vollschlanken Hüften schwingen und seinen tiefen Bass erklingen, in den er hohe Glücksquietscher einbaut. Umringt werden die beiden von vier jungen, schlanken, halbnackten Tänzern in weißen Strasshöschen. 

Als schließlich der listige Astrologe als Preis für seinen Hahn die Königin fordert, wird Dodon wütend und er-schlägt den Astrologen. Als der König die Königin küssen möchte, stürzt sich der Hahn auf ihn und tötet Dodon mit Schnabelhieben. Die Königin verschwindet mit dem Wundervogel. 

Am Ende gab es viel Applaus: Der Regisseur, der Generalmusikdirektor mit dem Orchester, der Chor, alle Darsteller und Mitwirkenden wurden bejubelt. Danke! 

Einige Anmerkungen: Puschkin, Alexander Sergejewitsch (geb. 1799 in Moskau, gest. 1837 in Petersburg) war russischer Schriftsteller. Wegen seiner satirischen und politischen Gedichte wurde er zeitweilig verbannt. Wegen seiner späteren Werke (Eugen Onegin, Boris Godunow, Pique Dame u.a.) wurde er zum Mitbegründer der russischen Literatur. Als er die Politsatire „Der goldene Hahn“ 1834 veröffentlichte, herrschte noch das Zarenreich. Puschkin kam bei einem Duell ums Leben. 

Rimsky-Korsakow, Nikolai, Andrejewitsch (1844-1908 Russland) ist russischer Komponist von Opern über russ. Legenden, von Sinfonien, Klavier- und Kammermusik und Chören. Die Uraufführung vom goldenen Hahn war 1909 in Moskau. Die politischen Unruhen und die Revolution 1905 konnte er gut in seine Komposition einbauen. 

Als 1914 „Der goldene Hahn“ in Paris aufgeführt wurde, tanzte das berühmte „Ballets Russes“ auf der Bühne und die Sänger sangen im Orchestergraben. 

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Hannelore Krause 

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